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Interview: „Ich wäre froh, wenn auch Jungen zur Beratung kämen.“
Jungen zur Schwangerschaftsberatung? Auf jeden Fall. Hier kann alles besprochen werden, was unklar ist und unter den Nägeln brennt. Schweigepflicht garantiert. Ein Gespräch mit der Beraterin Hildegard Jürgens aus Köln über all die Fragen, die junge werdende Väter unbedingt klären sollten:
Mit welchen Fragen kommen junge werdende Väter in die Beratung?
Wie bei den Schwangeren geht es bei den Jungen oft erst einmal darum zu begreifen, dass sie tatsächlich ein Kind gezeugt haben. Das klingt seltsam, aber es ist gar nicht so leicht zu verstehen, dass aus so etwas Spaßigem wie Sex eine so ernste Sache wie ein Kind entstehen kann.
Wie gehen die Jungs mit dieser Tatsache um?
Einige wenige kommen zusammen mit der schwangeren Freundin hierher und wollen selbstverständlich für das Kind sorgen. Oft sind sie dann sehr erstaunt, dass sie mit 15 oder 17 Jahren vieles nicht alleine entscheiden dürfen. Wir gehen dann alles in Ruhe durch, was ihnen oft gut tut, weil sie sich eigentlich völlig überfordern.
Häufiger werden sie aber von ihrer schwangeren Freundin und deren Eltern sozusagen mitgebracht. Oft wissen sie dann nicht, was sie sagen sollen. Sie sitzen still da, hören zu und fragen sich, wie ihr Leben mit einem Kind aussehen könnte. Wer soll den Unterhalt bezahlen? Wie können sie das als Minderjährige überhaupt? Wir sagen ihnen, was möglich ist.
Akzeptieren alle ohne weiteres, dass sie ein Kind gezeugt haben?
Nein, und das ist oft ein Problem, denn sie kommen meist erst gar nicht zur Beratung. Oft erfahre ich von ihnen nur über die schwangeren Mädchen, die hierher kommen. Die Jungen streiten häufig ab, dass sie der Vater sein könnten – nach dem Motto: Wer weiß, mit wem sonst du noch alles geschlafen hast!
Die Mädchen erzählen, dass die Jungs nicht mehr ans Telefon gehen, auf keine SMS mehr antworten oder einfach sagen: Hör auf, so einen Mist zu behaupten.
Was könnte hinter diesem Verhalten stecken?
Zu allererst das Erschrecken darüber, ein Kind gezeugt zu haben. Die Jungs brauchen oft einfach Zeit zu begreifen, was geschehen ist. So reagieren sie erst einmal aggressiv. Ich wäre froh, wenn auch sie in die Beratung kämen. Um die Feststellung der Vaterschaft kommen sie nämlich nicht herum.
Wirkt es nicht wie die Anerkennung der Vaterschaft, wenn ein junger Mann sich in der Schwangerschaftsberatungsstelle meldet?
Nein. Wir haben hier absolute Schweigepflicht. Von uns erfährt niemand, was hier besprochen wird, weder die Schwangere, noch das Jugendamt oder sonst wer. Außerdem kann sich jeder auch unter einem falschen Namen anmelden.
Ich glaube, es ist gut, sich rechtzeitig über alle möglichen Rechte und Pflichten zu informieren, die bei einer Vaterschaft auf einen zukommen. Wir beraten die jungen Männer auch, wie sie den eigenen Eltern gegenübertreten können.
Und wenn jemand sagt: Ich bin nicht der Vater und damit basta!
Es nützt ihm nichts. Kommt das Kind auf die Welt, hat es ein Recht zu erfahren, wer sein Vater ist. Weigert er sich, zur Klärung beizutragen, lässt das Jugendamt die Vaterschaft notfalls gerichtlich feststellen. Ist er dann tatsächlich der Vater, muss er die entstandenen Kosten tragen. Das sind oft mehr als 2000 Euro.
Was kann er anderes tun?
Wenn die winzige Möglichkeit besteht, dass er der Vater des Kindes ist, würde ich ihm raten, nach der Geburt des Kindes mit Einwilligung der jungen Mutter einen freiwilligen Vaterschaftstest machen zu lassen. Labore führen diese Tests schon für weniger als 200 Euro durch. Ist er der Vater, hat er sich eine Menge Ärger und Geld erspart. Ist er es nicht, hat er für verhältnismäßig wenig Geld schnelle Gewissheit.
Wie erleben Sie die jungen Männer, die auf keinen Fall Vater werden wollen?
Oft erfahren hier alle Beteiligten zum ersten Mal, dass niemand die junge Frau zu etwas zwingen kann, erst recht nicht zu einem Schwangerschaftsabbruch. Das verbietet unser Gesetz.
Das Schwierige für den Jungen ist dann sein Gefühl von Ohnmacht: Er sieht sich der Entscheidung des Mädchens ausgeliefert und hat oft das Gefühl, reingelegt worden zu sein.
Ist er nicht tatsächlich ohnmächtig?
Ja und nein. Ich versuche, den jungen Männern deutlich zu machen, was es körperlich und seelisch bedeutet, eine Schwangerschaft abzubrechen. Auch sie selbst würden sich nie gegen ihren Willen zu solch einem Eingriff zwingen lassen.
Gleichzeitig biete ich Hilfe an für die Beziehungsklärung. Sollte sich die junge Frau oder sollten sie sich gemeinsam für das Kind entscheiden, bleiben viele Monate Zeit bis zur Geburt, in denen das Paar zusammenwachsen kann. Es sollte auch jeder für sich überlegen, was es bedeutet, Mutter oder Vater zu werden.
Was kann er gegen sein Gefühl der Ohnmacht tun?
Das Kind ist von der ersten Sekunde an und das ganze Leben lang mit ihm verbunden: Durch seine Gene, durch seine Rechte, und auch durch die mögliche Abwesenheit des Vaters, die das Kind tief verletzt. Auch er selbst wird letztlich nie vergessen können, dass er einen Sohn oder eine Tochter hat, selbst wenn er keinen Kontakt zu dem Kind aufnimmt.
Er kann und sollte sich außerdem überlegen, welche Informationen sein Kind auf jeden Fall von ihm bekommen sollte: Etwa ein Foto oder eine Liste mit wichtigen Daten wie der Blutgruppe oder bekannten Allergien und Erbkrankheiten. Solche Dinge können für das Kind von großer Bedeutung sein.
Die jungen Männer sagen oft: Die Frau will ja nur mein Geld. Aber nein, es ist das Kind, um dessen Recht es geht. Um sein Recht, den eigenen Vater zu kennen, und um sein Recht, versorgt zu werden. Aber da lassen wir ja weder die jungen Mütter, noch die jungen Väter allein. Wir helfen ihnen.
Wie kann man mit 15 oder 17 Jahren Verantwortung für ein Kind übernehmen?
Minderjährige müssen die Verantwortung für ihr Kind nicht allein tragen. Das Jugendamt übernimmt automatisch die Vormundschaft und steht den jungen Eltern helfend zur Seite.
Die rechtliche Verantwortung für das Kind ist aber nur die eine Seite. Auf der anderen Seite ist es tatsächlich nicht leicht, Mutter oder Vater eines Kindes zu sein. Es macht einen Unterschied, ob ich für mich allein alles in die Hand nehmen kann, oder auch noch für ein Kind verantwortlich bin.
Wie soll das gehen, wenn die junge Mutter mit dem Kind etwa bei ihren Eltern wohnt und der junge Vater nur zu Besuch kommen kann?
Ich rate immer zu schauen, ob es in der elterlichen Wohnung nicht auch einen ganz eigenen Raum gibt, wo die junge Familie mal ganz für sich allein sein kann. Wenn es bei den Eltern des Mädchens nicht möglich ist, geht es vielleicht im Elternhaus des Jungen.
Denkbar ist auch, mit Zustimmung der Eltern in eine Mutter/Vater-Kind-Einrichtung zu gehen, um dort unter Anleitung das Elternsein zu erlernen. In manchen Städten und Gemeinden gibt es sogar Mutter-Vater-Kind-Heime, wo beide Eltern zusammen mit dem Kind wohnen können.
Kann man Elternsein erlernen?
Niemand ist sofort eine perfekte Mutter oder ein perfekter Vater. Aber das Gute ist: Man wächst Tag für Tag mit der Erfahrung.
Wenn ein junges Paar entschieden ist, Eltern zu werden, gehen wir hier auch ganz praktische Dinge an. Zum Beispiel lege ich mit ihnen zusammen einen Ordner an. Da wird dann unter „K“ abgeheftet, wo und wie man Kindergeld beantragt, und unter „E“, woher das Elterngeld kommt. Und unter „J“ wie Jugendamt steht, wie das mit der Beistandschaft und dem Unterhaltsvorschuss funktioniert.
Verantwortung übernehmen bedeutet ja nicht, alles alleine zu können. Vielmehr geht es darum, Probleme zu erkennen und sich Unterstützung holen zu können. Auch später, wenn das Kind da ist, stehen wir den jungen Eltern zur Seite. Etwa wenn es Schwierigkeiten in der Beziehung gibt, oder mit den eigenen Eltern, der Schule, dem Ausbildungsbetrieb oder irgendwelchen Ämtern.
Hildegard Jürgens, Sozialpädagogin und Familientherapeutin, bietet seit Ende der 80er-Jahre im Gesundheitsamt Köln Beratung zur Schwangerschaft und im Schwangerschaftskonflikt an.
Überlege erst ganz genau, ob es in deinem Umfeld doch jemanden gibt, dem du alles erzählen und den du um Rat fragen kannst: Vielleicht die Exfreundin deines großen Bruders, die du so gerne mochtest, deine (ehemalige) Lehrerin oder die Vertrauenslehrerin deiner Schule, eine Verwandte, die Pfarrerin deiner Kirchengemeinde, die nette Mutter aus der Nachbarschaft, bei der du ab und zu babysittest, oder ein älteres Mädchen aus deiner Schule, das dir in einer anderen Angelegenheit auch schon mal geholfen hat.
Manchmal haben gerade Menschen, die einem nicht ganz so nahe stehen, gute Tipps und reagieren vor allem gelassener als die eigene Familie. Doch egal, ob du jemanden hast, mit dem du über deine Schwangerschaft reden könntest oder nicht, ist es in jedem Fall gut, zu einer Schwangerschaftsberatungsstelle zu gehen. Die Adressen von Beratungsstellen findest du über die Beratungsstellensuche auf diesen Seiten.
Der Besuch einer Beratungsstelle ist besonders dann zu empfehlen, wenn du Hilfe bei der Entscheidung brauchst, ob du das Kind bekommen möchtest oder nicht. In einer Schwangerschaftsberatungsstelle bekommst du schnell einen Termin. Die anerkannten Schwangerschaftsberatungsstellen klären über alle Hilfen und Rechtsansprüche auf, die das Austragen der Schwangerschaft und das Leben mit dem Kind erleichtern können. Ebenso informieren sie über die Möglichkeiten eines Abbruchs.
Das Ziel der Schwangerschaftskonfliktberatung besteht darin, das ungeborene Leben zu schützen. Deshalb werden dir auch Perspektiven für ein Leben mit dem Kind aufgezeigt. Trotzdem musst du nicht befürchten, durch die Beraterin oder den Berater beeinflusst oder verurteilt zu werden. Die Beratungsstellen sind angehalten, Beratungsgespräche ergebnisoffen zu führen. Die Beratung soll dich darin unterstützen, eine eigenverantwortliche Entscheidung zu finden.
Die Beraterin oder der Berater wird sich Zeit für deine Fragen und Sorgen nehmen und dir bei deiner Entscheidung helfen, ohne dich in eine bestimmte Richtung zu drängen. Eine Beratungsstelle in deiner Nähe findest du leicht über die Beratungsstellensuche auf diesen Seiten.
Auch werdende Väter haben das Recht auf eine ausführliche persönliche Beratung. Wenn du eine Freundin hast, die ein Kind von dir erwartet, ist es wichtig, dass du dich auch unabhängig von ihr damit auseinandersetzt, was diese Vaterschaft für dich bedeutet. Mit der Hilfe einer Beraterin oder eines Beraters kannst du in Ruhe klären, wie deine persönliche Haltung zur Schwangerschaft ist und welche Möglichkeiten dir deine rechtliche und finanzielle Situation bietet.
Wenn du schwanger bist, hast du ein Recht auf Beratung. In einer Schwangerschaftsberatungsstelle können alle möglichen Fragen geklärt werden, etwa nach finanzieller Unterstützung. Eine Beratung ist auch dann wichtig, wenn du einen Schwangerschaftskonflikt hast. Vor einem möglichen Schwangerschaftsabbruch besteht die Pflicht, sich durch eine anerkannte Schwangerschaftsberatungsstelle dazu beraten zu lassen. Darüber wird dann eine Bescheinigung ausgestellt. Die Beratungsbescheinigung ist gesetzlich vorgeschrieben.
Eine Schwangerschaftsberatung können Schwangere und werdende Väter in jedem Alter in Anspruch nehmen. Beratungen zu Fragen rund um die Schwangerschaft oder eine Schwangerschaftskonfliktberatung sind kostenlos. Übrigens: Alle Beraterinnen und Berater stehen unter Schweigepflicht. Sie dürfen auch deinen Eltern vom Inhalt des Beratungsgesprächs nichts mitteilen, wenn du das nicht möchtest. In einer Beratung kann auch geklärt werden, ob im Fall eines Schwangerschaftsabbruchs die Einverständniserklärung der Eltern nötig ist.